10. Jahresausstellung der Neuen Darmstädter Sezession 1957
- auf der Mathildenhöhe in Darmstadt -


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Zeitungskritik der Frankfurter Allgemeinen Zeitung


FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
Freitag, 11. Oktober 1957 / Nr. 236

Italienische Bildhauer als Gäste

Ausstellung zum zehnjährigen Bestehen der "Neuen Darmstädter Sezession"

Die "Neuen Darmstädter Sezession"; - schon 1945 neu gegründet, zeigt bis zum 10. November auf der Mathildenhöhe in Darmstadt ihre zehnte Jahresausstellung nach dem Kriege. Die Darmstädter können auf eine große Tradition zurückblicken. Kasimir Edschmid hat in seiner Eröffnungsansprache - zum Festakt waren außer den Italienern mit Dr. Russoli auch Bundesaußenminister von Brentano und der hessische Finanzminister- erschienen - diese Anfänge sehr lebendig beschworen. Mit einem leisen Unterton der Besorgnis hat er auch auf die "Gefahren der Anerkanntheit" hingewiesen, die den stürmischen Zeiten der zwanziger Jahre gefolgt sind.

Die "Neue Darmstädter Sezession" tut beides. Sie hat diesmal italienische Bildhauer eingeladen, die künstlerisch der auf Marini und Manzu folgenden Generation angehören. Zusammengestellt wurde die Auswahl in Mailand durch Dr. Franco Russoli, finanziell ermöglicht durch die Stadt Darmstadt, den Bund (Außenminister und Innenminister) und das Land Hessen (Minister für Erziehung und Volksbildung). Die Italiener präsentieren sich in der großen Halle bei aller individuellen Verschiedenheit sehr geschlossen, außerordentlich experimentierfreudig und mit einer künstlerisch vitalen, unbekümmerten Kraft, die man bei einer entsprechenden deutschen Ausstellung kaum in gleichem Maße fände. Nicht nur der Mut zum Versuch ist größer, auch die Bindung an die Tradition ist stärker als bei den Deutschen. Dadurch wird das Spannungsfeld, in dem die Italiener arbeiten, in weitem Umkreis abgesteckt. Die sinnliche Qualität ist in Italien spezifisch anders als bei uns; sie wird nicht nur bei einem Mann wie Emilio Greco deutlich (er ist, nebenbei, ein großartiger Zeichner), sondern auch beidem futuristisch bestimmten "busto di donna" von Umberto Mastroianni. Nur ein Italiener konnte es wagen, eine "Verkündigung" darzustellen wie eine antike Danae; daneben versucht der gleiche Milani, von dem die "Verkündigung" stammt, knappste Zeichen im Relief, die fast nur noch Muster sind. Die plastische Kraft, die in einem Akt von Viani lebt, erscheint auch bei dem so anders gearteten Mirko. Seine Zementstelen sind verzahnte Raumdurchdringung. Cappello, der den Raum aufreißt, ist in dieser Ausstellung sein größter Gegensatz. Interessant ist die Entwicklung von Fabbri. Seine "Maternità" von 1953, sicher als ein Stück Art engagé sozialistischer Prägung zu verstehen, ist im Sinne der barocken Tradition unerhört italienisch; sein "Insetto atomizzato", Dämon, entstanden nach einer Chinareise, ist gußtechnisch von höchster Perfektion und erscheint doch nicht kunstgewerblich.

Der "Ikarus" von Carmassi müßte in einem höheren Raum, noch besser im Freien stehen. In der Halle überzeugt er nicht ganz. Der neue Expressionismus, der hier in die Plastik eindringt, wird bei Minguzzi am augenfälligsten. In "Ombre nel bosco" sieht er den Wald voller Dämonen. Die Schatten werden kompakt, verschwistern sich, sind mit den Bäumen und Zweigen verwachsen; ein unheimliches Gebilde, ein dämonischer Zauberwald steht hier, in dem das Technische und das Formale bis ins letzte durchdacht sind, ohne daß dem Betrachter, der etwas von Urgewalt spürt, dies primär bewußt wird.

Die deutschen Bildhauer haben es neben den Italienern und neben dem "Messager", den Zadkine geschickt hat, nicht leicht. Die Büste von Loth, an uralte Idole erinnernd, ist sehr zart modelliert, mit einer sensiblen Empfindung gemacht. Da ist Gustav Seitz: sehr schön und straff die Sitzende mit den erhobenen Armen, anderes wieder verfließend in rundweicher Form. Der Frauenkopf von Schwarzbeck prägnant, aber wo Holz auftritt, bei ihm und bei den anderen, wird alles erstaunlich weich und kunstgewerblich. Auch bei Kovats herrscht der Eindruck des Verfließenden vor. Geradezu erschreckend schwach (zumal wenn man die Stilwandlungen bedenkt, die er seit 1945 hinter sich gebracht hat) ist der "Palmesel" von Hermann Geibel.

Die Gefahr, daß "der Sinn für das Dekorative gegenüber dem Bekenntnishaften überhandnehme", ist auch heute nicht gebannt. Auf der Mathildenhöhe wird das bei den Deutschen an den plastischen Arbeiten deutlicher als an den Bildern. Daher auch das Bestreben, Gäste zur Ausstellung hinzuzuziehen. Die Sezession ehrt diesmal wieder eine Reihe verstorbener Mitglieder: Willi Baumeister, Gottfried Diehl, Rolf Müller-Landau und Paul Thesing. Vielleicht hätte man versuchen sollen, sie in einem Raum zusammenzuhängen. Angesichts der Verluste ist es doppelt empfindlich, daß Meistermann, Hann Trier und auch Heck diesmal nicht ausgestellt haben.

Es ist überraschend, daß jetzt, sieben Jahre nach, Max Beckmanns Tod, viele der jungen Maler, die nicht mehr seine direkten Schüler waren, die Auseinandersetzung mit ihm beginnen. In Darmstadt wird das am stärksten bei Werner Arndt sichtbar, der in seinen "Callablüten" und in einer Stadtlandschaft künstlerisch an einer wichtigen Stelle bei Beckmann anknüpft: Auch für Arndt ist Schwarz eine, Farbe, malerischer Wert und nicht nur graphisches Gerüst, das bei ihm zum Grundton einer noblen Malerei wird.
Für Kitzel bleibt die Auseinandersetzung mit Beckmann im Motivischen stecken, während sie bei Dietmar Lemcke in den See- und Strandbildern in einer tieferen Wesensschicht vollzogen wird. Auch Müller-Linow, wiewohl einer anderen Generation zugehörig, wäre hier zu erwähnen ("Drüben ist noch Licht").

Curt Georg Becker schickte farbig lebendige, sehr ausgewogene Bilder, ebenso Artur Fauser. Grieshaber und Erich Martin hängen nebeneinander und ergänzen sich gewissermaßen von innen her. Aehnlich wurzelverwandt sind Karl Kunz, der mit drei großen Bildern, vertreten ist und Ferdinand Lammeyer. Zu den Gästen der Sezession gehören diesmal K. O. Götz, Guido Jendritzko und Lothar Quinte. Auch die jüngeren "Darmstädter", darunter Steinforth, Lorth, Lander und Schlotter (Farblithos), kommen zu Wort.
----------------------------------------------------- Doris Schmidt


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Ausgestellte Bilder


"Callablüten", 1957, Maße: 90 x 65 cm, Öl


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"Zeil in Frankfurt", 1957, Maße: 140 x 120 cm, Öl


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